Aber bitte mit Soja

Tofu-Schnitzel und Seitanbraten liegen für viele Menschen irgendwo zwischen Dogma und Lifestyle. Regina Jobelius verzichtet seit zehn Jahren auf alle tierischen Produkte – aus Überzeugung. Und damit Vorurteile über vegane Ernährung nicht von gängigem Halbwissen abgelöst werden, gibt die Triererin Kochkurse.

TRIER. Die Schälchen, in die später der Salat kommen soll, sind aus Blätterteig und etwas verbrannt. Regina Jobelius trommelt mit den Fingern auf die Küchenzeile. „Nennen wir es kross“, sagt sie dem Mann, der gerade mit Handschuhen den Qualm aus dem Fenster wedelt. Gelächter. Einen Herd weiter wendet eine Frau Sojagranulat in der Pfanne, die Gemüsebrühe, in der es geweicht hat, ist fast verflogen. Ein Blick auf das Rezept für vegane Bolognese –­ „Zwiebeln und Möhren in Stücke schneiden“ – und sie greift nach dem Brettchen. Wie auch die anderen sieben Frauen und Männer ist sie an diesem Abend gekommen, um sich von Jobelius zeigen zu lassen, wie man Speisen vegan zubereiten kann.

Vegan zu leben heißt, ethisch motiviert, dem Umweltschutz zuliebe oder der eigenen Gesundheit wegen auf tierische Produkte in jeder Form zu verzichten. Während Vegetarier sich von Fisch und Fleisch lossagen, ersetzen Veganer zusätzlich Kuhmilch, Ziegenkäse und Honig durch Hafermilch, Frischkäse aus Sojamilch und Ahornsirup. Sie tragen weder Pelz noch Wolle, die Stiefel sind aus Mikrofaser, die Handtasche aus Kunstleder, der Lippenstift ist ohne Seidenproteine hergestellt. Laut Vegetarierbund (Vebu) gibt es rund sieben Millionen Vegetarier in Deutschland, die Zahl steigt stetig und stammt aus einer Erhebung des Allensbacher Institut für Demoskopie vom vergangenen Jahr. Wie viele Menschen sich darüber hinaus vegan ernähren, ist schwer zu ermitteln. Interessenverbände wie der Vebu sprechen von bis zu 800 000 Deutschen.

Im Gegensatz zu den Zahlen schwankt die Triererin Regina Jobelius nicht. Sie ist Veganerin aus Überzeugung, ihr Sinneswandel kam vor zehn Jahren. Immer häufiger quittierte ihr Körper Allergien mit Schnupfen und tränenden Augen, immer länger wurde die Liste an Lebensmitteln, gegen die er sich mit Krämpfen sträubte: Eier, Milch, Obst. Ihr Arzt verordnete Cortison, sie selbst verschrieb sich eine Ernährungsumstellung. Innerhalb von drei Tagen hat sie sich entschlossen, den Kühlschrank leer zu essen und von da an nur mit veganen Lebensmitteln zu füllen. Wenn sie von der Entscheidung spricht, redet sie nicht von Verzicht. Es fällt häufig das Wort „Verantwortung“. Verantwortung gegenüber den Tieren und der Umwelt, Verantwortung aber auch für die eigene Gesundheit. Jobelius sucht die Erbsen im Tiefkühler. „Die vegane Ernrung hat mich vitaler gemacht.“

Gesundes Essen hat sie immer beschäftigt, schon damals. Damals, das ist die Zeit, in der sie manchmal Fisch und gerne Kuchen gegessen hat, ein Lebensabschnitt, der in ihrem Gedächtnis verschwimmt. Bei Nachfragen dazu zögert sie, ihr Leibgericht etwa kann sie nicht mehr erinnern, will es vielleicht auch nicht: „Ich habe mit einem mehrfach schlechten Gewissen gegessen.“ Jetzt esse sie bewusster und sei offener, probiere auch ungewöhnliche Gerichte aus.

Was sie als Mehrwert empfindet, hat sich auf den Speisekarten der meisten Trierer Gaststätten noch nicht durchgesetzt. Auswärts zu essen sei nicht einfach, auf eine Sonderbestellung folgten oft Reklamationen. Jobelius arbeitet im Marketing, in der Mittagspause trinkt sie mitgebrachte Smoothies oder fährt zum Essen nach Hause.

DSC_2310kEs koste nicht mehr Zeit, vegan zu kochen und dass die Lebensmittel teurer seien, hält sie ebenso für ein Vorurteil: „Vegane Ernährung ist keine Frage des Geldes.“ Für Einkäufe gebe sie jedenfalls nicht mehr aus. Das mag daran liegen, dass sie früher darauf geachtet hat, dass das Steak von guter Qualität ist. Heute zahlt sie einen vergleichbaren Preis für rohen Kakao oder Bio-Gemüse. Doch es geht auch günstig: Der Bauer vor Ort bietet saisonal Obst an, Tofu-Produkte stapeln sich in den Regalen der Discounter und was man dort nicht findet, kann man günstig im Internet bestellen. Hier ordert sie etwa getrocknete Beeren oder Thunfischersatz. Es sei ihr wichtig, sagt sie, einem Mangel an Vitamin B12 oder Omega-3-Fettsäuren vorzubeugen.

Mit diesem Wissen und ihrer Begeisterung versucht sie seit Jahren auch andere Menschen zu überzeugen, etwa in Kochkursen. In Las Vegas hat sie Papaya-Eis und Rohkostpizza serviert, den Hamburgern hat sie gezeigt, wie man die Heringe im Salat durch Auberginen ersetzen kann. Derzeit sucht sie wieder nach einer Küche in Trier.

Mittlerweile ist es draußen dunkel, fast vier Stunden lang haben Jobelius und die Teilnehmer geschnippelt und geschabt, gebraten, gebacken und probiert. Auf dem Tisch türmen sich Erbsenbratlinge, daneben Avocado und Salatgurke in Reis-Papier gerollt. Die Zucchini-Nudeln dampfen in der Schale, die Mousse au chocolat steht noch kühl. Geklapper mit Besteck, gedämpftes Gespräch: Nein, dass die Bolognese kein Hackfleisch enthält, merke man nicht.

Vermutlich wird niemand der Männer und Frauen nach Hause gehen, ein letztes Mal den Kühlschrank leeressen und dann die Ernährung vollkommen umkrempeln. Vermutlich aber wird der ein oder andere seine Essgewohnheiten überdenken. Dass sie die Rezepte nachkochen werden, kündigen die meisten zumindest an. Das, sagt Jobelius, sei immerhin ein Anfang.

Weitere Infos finden Sie auf der Facebook-Seite von Regina Jobelius.

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